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  • AutorenbildKerstin Obermoser

Die Insel der Selbstfürsorge

Aktualisiert: 8. Sept. 2022


Kennt ihr den Film „About a boy – oder der Tag der toten Ente“? Der Hauptdarsteller Will, gespielt von Hugh Grant, hat eine Diskussion mit seiner Schwester, dass niemand im Leben eine Insel sei. Worauf er entgegnet: Doch, ich bin eine Insel, ich bin Ibiza“. Das kommt mir immer in den Sinn, wenn ich meinen „Inseltag“ veranstalte. Zugegeben kommt das nicht zu oft vor und ich bin auch nicht Ibiza, - vielleicht bin ich die kleine Schwester von Ibiza, Formentera 😊

Aber Spaß beiseite. Was verstehe ich unter einem „Inseltag“ und was mache ich da? An "Inseltagen" mache ich nur und ausschließlich das, wozu ich Lust habe. Ohne Plan, ohne Termine, ohne Verpflichtung und möglichst ohne schlechtes Gewissen. Ja, das ist eine besondere und große Herausforderung, deshalb kommt das auch nicht all zu oft vor. Aber ich merke, dass wenn ich mir so einen „Inseltag“ gönne, ich über viel mehr Kraft, Energie, Fokus, Freude und Esprit verfüge. Anders, wie wenn ich mit schlechtem Gewissen versuche Nichts zu tun, oder halb arbeite und halb frei mache, oder eben missmutig meinen (gedachten) Verpflichtungen nachgehe. Schon klar, manche Dinge müssen eben erledigt werden, aber andere warten sehr geduldig auf einen. Nehmen wir z.B. den Haushalt: Ich mag auch nicht im Dreck oder Staub ersticken, aber es muss auch nicht immer alles perfekt sauber sein. Auch wenn ich schon eher zu der Gattung „Perfektionistin“ gehöre und mir das oft immer noch schwer fällt. Aber tatsächlich ist der Staub sehr geduldig, der ist auch einen Tag später (leider) noch da. Das heißt, so lange es nicht überlebenswichtig ist, fällt es aus. An so einem „Inseltag“ schotte ich mich ab. Kein Telefon, kein Social Media, kein PC – nur ich und die reale Welt im Hier und Jetzt. Und wenn zwischendurch ein Gedanke der Arbeit, Verpflichtung oder des schlechten Gewissens aufkommt, dann nehme ich ihn bewusst wahr und lass ihn wieder los. Nicht heute, nicht jetzt, denn heute ist MEIN Tag, ich bin auf einer Insel mit mir selbst – ich nehme mir Zeit, für mich und mein körperliches, seelisches und geistiges Wohlbefinden. Das bedeutet für mich Selbstfürsorge!

Was ist Selbstfürsorge?

Für mich persönlich bedeutet mein „Inseltag“ Selbstfürsorge. Natürlich braucht es dazu nicht immer einen ganzen Tag, sondern man kann sich auch kleine Inseln im Alltag suchen. Aber dazu später mehr.

Joachim Küchenhoff (1999) definiert Selbstfürsorge als die Fähigkeit, eigene Bedürfnisse zu berücksichtigen, Belastungen einzuschätzen, sich nicht zu überfordern, gut mit sich umzugehen und sich zu schützen.

Aber warum ist Selbstfürsorge denn so wichtig?

Von Kindesbeinen an haben wir gelernt Pflichten und Erwartungen anderer aus dem Außen zu erfüllen. So sind die meisten von uns erzogen worden, das ist es, was uns die Gesellschaft vorgibt, was von uns erwartet wird, was uns „zu jemanden“ werden lässt. Und nicht selten suchen wir dann jemanden im Außen, der für uns sorgt. Sei es unsere Familie, unser Partner*in, unsere Freunde, oder der Arbeitgeber, der für uns sorgen soll. Wenn diese Rechnung dann nicht aufgeht, sind wir enttäuscht, verletzt, wütend und fühlen uns oft ausgelaugt. Wir begeben uns in eine äußerliche Abhängigkeit, denn wir haben oftmals verlernt für uns selbst zu sorgen.

Gerade in der heutigen Zeit ist Selbstfürsorge wichtiger denn je

Unser Alltag ist vor allen Dingen durch die Medien und die Technik viel schnelllebiger geworden. Die Ansprüche sind höher, das Tempo schneller und der (Leistungs-) Druck größer geworden. Die Grenzen zwischen der Arbeitswelt und dem privaten Leben verschwimmen immer mehr und wir reizen unsere persönlichen Grenzen aus. Oftmals haben wir verlernt auf uns selbst zu hören, haben die Verbindung zu uns selbst gar verloren. Die Umstände und Einflussfaktoren haben sich verändert und darauf können wir nicht mit dem gleichen, bewährten Verhalten reagieren. Ich merke das sehr stark beim Thema „Smartphone & ständige Erreichbarkeit“. Ich bin fast immer online, egal wo ich wann unterwegs bin. Ich habe bemerkt, wie sehr mich das Piepsen des Handys oft aus den Gedanken oder der Ruhe reißt und mich in einem Moment der Stille eiskalt erwischt. Ich spüre in so einem Moment richtig, wie mein Stresslevel bzw. mein Cortisolspiegel nach oben schießt und was es für eine Erleichterung ist, dass Handy öfter mal stumm bzw. ganz aus zu schalten. D.h. ich muss mein bisheriges Telefonverhalten an das Smartphone, mit seiner ständigen Erreichbarkeit, anpassen und verändern, indem ich bewusste Handyauszeiten in meinen Alltag integriere. Auch das ist eine Form von Selbstfürsorge.

Wozu ist Selbstfürsorge überhaupt gut?

Selbstfürsorge ist elementar, um unseren Akku wieder aufzuladen und das möglichst schon bevor er ganz leer ist. Durch regelmäßige und rechtzeitige Selbstfürsorge sorgen wir nicht nur für mehr Freude, Gesundheit, Wohlbefinden, Leichtigkeit und Lebensqualität, sondern sind letztlich auch leistungsfähiger.

Wann ist es höchste Eisenbahn für (mehr) Selbstfürsorge in unserem Leben?

Am besten bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist. Wenn du merkst, dass du dich oft müde fühlst, oft gereizt oder dünnhäutig bist und schon bei der kleinsten Kleinigkeit an die Decke gehst, solltest du einen Schritt zurück gehen und auf mehr Selbstfürsorge in deinem Leben achten. Weitere Indizien könnten fehlende Energie oder Lebenslust sein, wenn du dich des Öfteren erschöpft oder kraftlos fühlst. Aber auch wenn du dich nur schwer motivieren oder aufraffen kannst, dir das Abschalten Probleme bereitet und sich deine Gedanken im negativen Gedankenkarussell um die Wette drehen, ist es höchste Zeit für mehr Selbstfürsorge in deinem Leben. Wann hast du dir das letzte Mal etwas gegönnt? Einfach so und ohne schlechtes Gewissen? Du kannst dich nicht erinnern? Time for more selfcare in your life!

Selbstfürsorge auf allen Ebenen

Wie bereits angesprochen bezieht sich die Selbstfürsorge nicht nur auf unsere körperliche oder seelische Ebene, sondern auch auf die mentale bzw. geistige Ebene.

Selbstfürsorge auf der körperlichen Ebene

Auf der körperlichen Ebene geht es um unsere Grundbedürfnisse:

  • Wie ist meine Schlafqualität bzw. mein Schlafverhalten? Schlafe ich ausreichend und gut?

  • Wie ist es um meine Ernährung bestellt? Nähre ich meinen Körper regelmäßig mit gesunden Nahrungsmitteln, oder vergesse ich zu essen bzw. füttere ich meinen Körper mit Junkfood?

  • Trinke ich über den Tag verteilt ausreichend?

  • Sorge ich für regelmäßige Pausen, Ruhephasen und Entspannung?

Selbstfürsorge auf der seelischen Ebene:

  • Nehme ich mir ausreichend Zeit und Raum für mich selbst?

  • Nähe vs. Abgrenzung – lasse ich Nähe von anderen zu und kann mich aber gleichzeitig auch zu meinem Wohle abgrenzen, wenn mir die Situation bzw. die Person gerade nicht gut tut?

  • Wie ist es um mein soziales Umfeld bestellt? Habe ich ein soziales Netzwerk, das mich auffängt, für mich da ist, mich wertschätzt, mich versteht, mich so sein lässt, wie ich bin und mir gleichzeitig meinen Raum für mich gibt?

  • Nehme ich meine eigenen Bedürfnisse und Grenzen auf allen drei Ebenen wahr, oder überschreite ich diese kontinuierlich?

  • Selbstbestimmung & Freiheit – Bestimme ich selbst und frei über mich und meine Grenzen?

Selbstfürsorge auf der geistigen Ebene:

  • Mit welcher Nahrung füttere ich meinen Geist? Welche Medien konsumiere ich?

  • Woher hole ich mir meine Inspiration?

  • Tausche ich mich mit anderen Menschen aus die vielleicht auch mal so ganz anders als ich sind?

  • Erschließe ich neue Lernfelder und setze neue Impulse in meinem Leben? Stelle ich mich neuen Herausforderungen, oder bleibe ich in meiner Komfortzone hängen?

  • Bewege ich mich ausschließlich in Routinen, oder stimuliere ich meinen Geist und sorge für Abwechslungen auf der geistigen Ebene – think out of the box!

Selbstfürsorge im Alltag – wie praktiziere und integriere ich sie?

Schritt 1: Bei sich selbst einchecken

Wenn wir wieder anfangen uns Zeit zu nehmen in uns selbst rein zu spüren und rein zu hören, finden wir relativ schnell raus, was uns gut tut und was wir brauchen. Ich nenne es gerne „bei sich selbst einchecken“ oder eine innere Bestandsaufnahme machen.

  • Was tut dir gut tut und kommt vielleicht aktuell zu kurz?

  • Was würdest du gerne einmal wieder machen, wenn du die Zeit dazu hättest?

  • Was hast du dir schon lange nicht mehr selbst gegönnt?

  • Was würdest du einer guten Freundin / einem guten Freund in deiner Situation raten? Sei dein eigener bester Freund!

  • Lass dich öfter einmal von dem intuitiven und instinktiven Verhalten von Tieren inspirieren – sie machen, was ihnen gerade gut tut: Wenn sie Hunger haben essen sie, wenn sie müde sind schlafen sie.

  • Wenn (Geld) und Zeit keine Rolle spielen würden, was würdest du dann mal wieder in Angriff nehmen?

  • Wenn du einen Wunsch frei hättest, was würdest du dir wünschen?

Schritt 2: Mache Nägel mit Köpfen!

  • Plane regelmäßig Zeit für dich selbst im Terminplaner ein und unter lasse sie unter KEINEN Umständen ausfallen.

  • Tue dir einmal pro Tag etwas Gutes und schaffe dir einen halben bis einen „Inseltag“ pro Woche, an dem du für dich selbst sorgst.

  • Schaffe Routinen - einen kleinen Schritt pro Woche. Das Gehirn benötigt 21 Tage um neu erlerntes Verhalten zu etablieren. Wenn das Verhalten einmal verankert ist, fällt es künftig leichter es umzusetzen.

  • Höre vor Entscheidungen in dich selbst hinein. Will ich das wirklich? Brauche ich das wirklich?

  • Stelle deine Glaubenssätze in Frage. Ist das wirklich so, oder meine ich so funktionieren zu müssen?

  • Unterbreche dein Gedankenkarussell, indem du etwas ganz Anderes machst.

Schritt 3: Konkrete Übungen für den Alltag:

Energie-Bestandsaufnahme

Mach eine Bestandsaufnahme über deinen Energiehaushalt. Dafür nimmst du dir ein großes Blatt Papier und schreibst dich (also ICH) in die Mitte. Rund um das ICH verteilt schreibst du Personen, Dinge, Hobbies, Job, Tiere etc. auf, die in deinem Leben eine Rolle spielen, mit denen du vielleicht täglich zu tun hast, die in deinem engeren Umfeld sind, die dich beschäftigen, dir Kraft spenden oder Tätigkeiten, die du ausübst. Danach nimmst du zwei unterschiedliche Farben und gehst jeden Punkt bzw. Bereich einzeln durch: Wie viel Energie fließt von mir in den jeweiligen Bereich/Person. Male mit einer Farbe den Pfeil so dick, wie die Energie wegfließt. Dann nimm die andere Farbe zur Hand und zeichne einen Pfeil wie viel Energie dir dieser Bereich, diese Person gibt. Anhand der Ausgeprägtheit der Pfeile hast du relativ schnell einen Überblick darüber, welcher Bereich, welche Person dir viel oder wenig Energie spenden bzw. viel oder wenig Energie "rauben". Du kannst sehr gut sehen, wo es sich lohnt mehr zu investieren bzw. was es vielleicht gilt loszulassen.

Im Hier und Jetzt durch Achtsamkeit & bewusstes Atmen

Wir alle wissen es und trotzdem fällt es uns immer wieder sehr schwer: Lebe im gegenwärtigen Moment. Hänge nicht der Vergangenheit nach, zermartere dir nicht das Gehirn, was die Zukunft bringen wird. Versuche durch Achtsamkeit im Hier und Jetzt zu sein. Am einfachsten gelingt dir das durch die Konzentration auf deinen Atem. Nimm dir ein paar Minuten pro Tag Zeit und konzentriere dich nur auf das Ein- und Ausatmen. Lass die Gedanken kommen und gehen, halte sie nicht fest. Stelle dir vor sie sind wie Autos auf einer Autobahn, die an dir vorbeidüsen, oder Wolken, die am Himmel an dir vorbeiziehen. Verdränge deine Gedanken nicht, aber halte sie auch nicht fest. Wenn dich gerade ein bestimmter Gedanke oder ein Gefühl, z. B. Wut plagt, dann kannst du folgendes machen: „Einatmend bemerke ich meine Wut, ausatmend lasse ich meine Wut los.“ Diese Übung kannst du immer und überall zwischendurch ausführen. Egal, ob du gerade auf den Bus wartest, im Stau stehst, oder im Büro sitzt.

Führe ein Glückstagebuch

Was war gut am heutigen Tag? Was hat mich glücklich oder stolz gemacht? Was ist mir besonders gut gelungen? Sei es die nette Frau in der U-Bahn, die mich freundlich angelächelt hat, oder eine meiner Reaktionen, die mir besonders gut gelungen ist, ein herzliches Wort, eine gute Tat. Lass den Tag Revue passieren, gehe ihn noch mal durch und notiere dir zumindest drei Dinge, die an diesem Tag gut gewesen sind. Ich bin mir sicher, dass du mehr als drei Dinge pro Tag finden wirst.

Kleine Inseln im Alltag schaffen

Bastle dir kleine Zettelchen und schreibe auf jedes Zettelchen eine Tätigkeit, die dir Spaß macht, die dich entspannt, oder dir gut tut. Das können ganz einfache Sachen sein wie z. B. ein Bad nehmen, eine Massage, 10 min nichts Tun, einen Spaziergang machen, ein gutes Buch lesen, eine Tasse Tee in Ruhe genießen. Dann falte die Zettelchen zusammen und gib sie in ein großes Gefäß. Bereite gerne gleich Zettelchen für mehrere Wochen vor. Sei kreativ und nimm dir Zeit dafür. Dann zieh jeden Morgen ein Zettelchen und mach, was auf dem Zettelchen steht.

Routine, aber bitte mit Achtsamkeit

Ich weiß, gerade morgens haben wir in unseren Augen keine Zeit für Tätigkeiten, die nicht überlebensnotwendig sind. ABER, wie wäre es eine Tätigkeit deiner Morgenroutine ganz bewusst und in Ruhe auszuüben? Ohne, dass du schon an die To-Do Liste des Tages denkst oder dein Kopf schon zehn Schritte weiter ist. Egal, ob es die Tasse Tee oder Kaffee ist, das Frühstück oder der Weg zur Arbeit, versuche die Handlung ganz bewusst auszuführen.

Weitere Inseln im Alltag

Weitere Inseln in deinem Alltag können sein: Sport, Yoga, Entspannungsübungen, Meditation, Musik hören, Tanzen, spazieren gehen, die Natur genießen, Tiere kuscheln, schlafen, ein gutes Buch, sitzen und Nichts tun, kochen, ein gutes Gespräch, ein heißes Bad, Stille, eine Gesichtsmaske etc. Alles was dir dabei hilft dich zu entspannen, den Druck abzubauen und wieder bei dir selbst einzuchecken und den Geist zur Ruhe kommen lässt. Aber Vorsicht: Auch wenn uns ein guter Film oder ein Glas Rotwein am Abend entspannen, sollte das eher die Ausnahme als die Regel sein, denn hier wird unser Geist eher abgelenkt, als dass er zur Ruhe kommt. Es geht darum mit uns selbst in Kontakt und Berührung zu kommen.

Fazit

Oft gestehen wir anderen weitaus mehr zu, als uns selbst. Anderen gegenüber sind wir milder und großzügiger. ABER: Wir selbst sind es, die für uns sorgen müssen. Wir selbst sind verantwortlich für unser Wohlbefinden und unsere physische und psychische Gesundheit. Selbstfürsorge ist hierbei das Schlüsselwort, wenn wir gesund bleiben wollen. Es gibt viele Möglichkeiten Selbstfürsorge in unseren Alltag zu integrieren – es braucht nicht viel Zeit & Aufwand dafür, sondern nur die bewusste Entscheidung es zu tun! In diesem Sinne wünsche ich euch allen eine erholsame und bewusste Zeit auf eurer ganz persönlichen Selbstfürsorge-Insel!

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