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  • AutorenbildKerstin Obermoser

Tempeh aus Brandenburg - ein Interview mit dem Gründer von peaceful delicious

Aktualisiert: 12. Sept. 2022


Vergangenen November habe ich auf der Veggieworld in Berlin den leckeren Tempeh von peaceful delicious kennengelernt. Ich war begeistert von dem Geschmack und der Tatsache, dass Frank Schlefendorf, das Gesicht hinter peaceful delicious, den Tempeh nicht nur aus Sojabohnen, sondern auch aus anderen Hülsenfrüchten wie z.B. Kichererbsen oder Bohnen herstellt. Aber der Tempeh von peaceful delicious hat noch eine weitere Besonderheit, mit der er sich vom marktüblichen Tempeh abhebt – aber dazu später mehr.

Ich wollte also unbedingt mehr davon probieren und darüber erfahren. Deshalb habe ich Frank in der Geburtsstätte von peaceful delicious auf seinem Hof in Brandenburg besucht und ihm ein paar Fragen gestellt. Nach meiner Ankunft durfte ich sogleich die „heiligen Hallen“ betreten und selbst Hand anlegen. Aber keine Sorge, ich habe nur die Schildchen geschrieben und ein paar Tüten verschweißt. Es war spannend Frank bei seiner Arbeit über die Schultern zu schauen und einen Eindruck davon zu bekommen, wie die Abläufe hier, bei peaceful delicious, sind. Und naja, nach erledigter Arbeit gab es die heißersehnten Kostproben. Als Vorspeise zauberte mir der Tempeh-Meister Sojatempeh in Tariakisauce mit einem Klecks veganer Mayonnaise auf einem Linsenbeet und im Anschluss gab es einen selbst gemachten Burger – natürlich mit Tempeh-Patty – aus Bärlauch und Soja- I am in heaven. So knackig, crunchy und würzig – echt super lecker!

Was ist Tempeh eigentlich und welchen ernährungsphysiologischen Wert hat er?

Auch wenn Tempeh in unseren Breitengraden noch nicht so bekannt wie z.B. Tofu ist, ist er ernährungsphysiologisch um so spannender. Traditionell kommt er aus Indonesien und wird aus fermentierten Sojabohnen hergestellt. D.h., dass gekochte und geschälte Sojabohnen mit einem Edelschimmelpilz (Rhizopus oligosporus) geimpft und dann bei 30-35° C zwischen 24 und 48 Stunden fermentiert werden. Der Pilz entwickelt bei diesem Prozess fadenförmige Pilzzellen, die zusammen mit den gekochten Sojabohnen eine feste Masse formen.

Tempeh ist eine hervorragende Eiweiß- und Mineralstoffquelle, ballaststoffreich, enthält viel Magnesium, Kalium, Phosphor, Eisen und ist cholesterinfrei. Das Eiweiß ist für den Körper besonders gut verfügbar und sein Fett- und Kaloriengehalt relativ niedrig. Gerade in der pflanzenbasierten Ernährung also ein richtiges Superfood. Die enthaltenen Antioxidantien schützen außerdem vor freien Radikalen, die Isoflavone (gehören zu den sekundären Pflanzenstoffen) wirken sich positiv auf unsere Gesundheit aus. Sie werden unter anderem bei Wechseljahrbeschwerden, hormonabhängigen Krebsarten oder deren Prävention empfohlen.

Frank, wie bist du denn überhaupt auf die Idee gekommen selbst Tempeh herzustellen – und warum ausgerechnet Tempeh?

Ich war auf der Suche nach einer guten und schmackhaften Fleischalternative, denn ich finde, wir alle essen zu viel Fleisch. Mein Plan war es, mit einer guten Alternative den Fleischkonsum zu verringern. Das Spannende am Tempeh für mich ist, dass ganze Bohne verarbeitet werden, dass es ein fermentiertes Produkt ist und dass man es gut braten kann.

Isst du denn selbst noch Fleisch?

Ich muss zugeben ja. Sehr selten, aber zu bestimmten Gelegenheiten wie z.B. Weihnachten passiert das noch. Ich würde es mir aber nicht kaufen und zu Hause für mich zubereiten. Aber wie gesagt, das ist sehr selten geworden. Mein Fleischkonsum hat sich über die letzten Jahre drastisch reduziert.

Ich habe mich damals gefragt, was mir an Fleisch gut schmeckt, und habe festgestellt, dass es oftmals dieses crunchige, knusprige Gefühl war. Also ehr die Panade oder die Haut als das pure Fleisch. Also habe ich angefangen danach zu suchen, was genau dieses crunchige Erlebnis widerspiegelt und trotzdem auch eiweißreich ist. So bin ich auf Tempeh gestoßen. Mir gefiel diese Idee, dass über Pilzkulturen etwas Natürliches und Einzigartiges entsteht. Also bin ich gleich mal los in den Asialaden und hab mir Tempeh gekauft…er schmeckte ganz furchtbar – wie ein alter Waschlappen und ich machte auch den Fehler, den Tempeh fettarm anzubraten. Das Ergebnis waren verbrannte Sojabohnen mit schlechtem Geschmack. Dann war das Thema Tempeh erst einmal abgeschlossen für mich.

Ja das hört sich nicht nach dem gelungensten Start an…wie ging es dann weiter?

Naja,…dann kam Bali! Das war so vor 2-2,5 Jahren. Dort gab es an jeder Ecke Tempeh und er schmeckte einfach so lecker und anders als mein Tempeh aus dem Asia Laden. Zurück in Berlin habe ich dem Ganzen eine zweite Chance gegeben und ging erneut in den Asia Laden. Beim nächsten Versuch dachte ich dann, dass mein Fehler in der Zubereitung lag und deshalb versuchte ich den Tempeh dann erst einmal zu frittieren. Aber leider änderte das nicht viel und er schmeckte ein weiteres Mal überhaupt nicht so wie in Bali, sondern erinnerte eher an mein erstes Erlebnis. Ich fing an alle möglichen Tempeh-Anbieter durchzuprobieren, aber es kam einfach nichts an das Geschmackserlebnis aus Bali heran. Da wird der Tempeh frisch, sprich nicht pasteurisiert auf dem Markt verkauft. Da die Nachfrage bzw. der Konsum vor Ort so hoch ist, muss er nicht lange haltbar sein, weil er immer sofort verbraucht wird.

Ich recherchierte weiter und stieß bei Youtube auf eine Frau aus Madagaskar die sagte: „The best tempeh you can eat is the one you make by yourself“!

Dieser Satz ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Also bestellte ich meine ersten Starterkulturen aus England und begann damit zu experimentieren und et voíla nach zwei bis drei Versuchen war der BALI EFFEKT wieder da! Ich habe den Tempeh eingefroren um ihn bei Bedarf sofort zu verarbeiten – also ohne den Zwischenschritt des Auftauens. Sofort tiefgekühlt in ausreichend Fett gebraten, das hat wirklich super funktioniert. Fazit: Nur nicht auftauen lassen!

Hört sich nach einem spannenden Prozess an. Wann hast du peaceful delicious dann gegründet und wie bist du überhaupt auf den Namen gekommen?

Gegründet habe ich peaceful delicious im Juni 2017. Ich bin auf einen YouTube Kanal aufmerksam geworden, der Peaceful Cuisine hieß. Das fand ich eine sehr schöne Inspiration.

Was ich aber an deinem Tempeh ganz besonders spannend finde, ist die Tatsache, dass du ihn nicht nur aus Sojabohnen herstellst, sondern eben auch aus anderen Hülsenfrüchten. Erstens gibt es ja einige Menschen, die Soja nicht so gut vertragen oder bewusst darauf verzichten und zweitens ist das auch einfach mal etwas, was es so noch nicht gibt bzw. gab vorher, oder? Wie bist du auf diese Idee gekommen?

(Lacht) – eigentlich aus Langeweile. Ich experimentiere sehr gerne und da war Soja-Tempeh schnell ausgereizt. Da kannst du ein bisschen mit Gewürzen spielen, aber das war es dann auch schon. Du hast es ja selbst im Burger-Patty geschmeckt – das habe ich mit Bärlauch verfeinert. Man kann Tempeh aber aus allen Hülsenfrüchten und sogar aus Getreidesorten machen. Theoretisch kannst du Tempeh auch aus Erdnüssen herstellen – schwierig, aber machbar.

Meine Anfangsidee war es ja ordentliche, fleischlose Burger-Pattys zu machen - in Berlin gab's ja so viele Burgerbrater, die nur darauf warteten einen guten veganen Patty für ihre Burger zu haben, oder? Das dachte ich damals zumindest.

Gesagt – getan. Als ich das zusammen hatte, bin ich zu den Burgerbratern gegangen und hab ihnen meine Tempeh-Pattys angeboten. Aber deren vorhandene veganen Pattys, welche aufgrund der Textur meistens aus Seitan waren, kosteten im Einkauf um die 50 Cent. Mehr waren sie auch nicht wirklich bereit auszugeben, denn das Hauptgeschäft war und blieb eben Fleisch. Für diesen Preis konnte ich meine Tempeh-Pattys nicht anbieten. Also war mein nächster Gedanke, dass die Gastronomie eine großes Interesse haben müsste. In meinen Augen waren diese Tempeh-Streifen das ideale Convenience Food: Schnell aufgetaut, easy zubereitet, mit vielen Saucen kombinierbar und dabei nährwerttechnisch auch noch sehr weit vorn. Sozusagen eine gesunde Convenience-Variante für den Alltag.

Wo gibt es den Tempeh aktuell zu kaufen?

Aktuell sind wir mit peaceful delicious in der Biosphäre Neukölln, dem Grünen Laden in Moabit, der Extrawurst (als Patty), dem Wildwuchs, und dem Ass am See vertreten. More to come soon!

Was ist das Besondere an eurem Tempeh?

Das Besondere an unserem Tempeh ist, dass er NICHT pasteurisiert ist. Deshalb wird er nach der Herstellung eingefroren. Tiefgekühlt hält er sich bis zu einem halben Jahr. Außerdem legen wir unser Augenmerk in Bezug auf unsere Rohstoffe auf europäische Produzenten bzw. Herkunft. Für den Endkunden in Deutschland versenden wir frisch.

Das heißt, dass ihr all eure Rohstoffe von europäischen Produzenten bezieht?

Ja, die meisten Rohstoffe beziehen wir von der Firma Davert, und diese wiederum von europäischen Produzenten. Viele Sojabohnen kommen übrigens auch aus Österreich und die Kulturen natürlich aus Indonesien.

Heißt das, dass peaceful delicious somit ein Bioprodukt ist?

Noch nicht offiziell. Alle Rohstoffe sind ausnahmslos bio, bis auf die Starterkulturen, die gibt es meines Erachtens nicht in bio. Aktuell befinden wir uns im Prozess für die Biozertifizierung. Puh, das ist ganz schön aufwendig und viel Papierkram. Ich habe eigentlich mehr Lust neue Produkte zu kreieren, als so viel Papierkram zu machen, aber das gehört eben auch dazu.

Ja das glaube ich dir, das stelle ich mir wirklich sehr aufwendig vor.

Ja man muss auf so viele Dinge und Umstände achten. Ich erzähle dir hierzu kurz eine Geschichte: Natürlich wollte ich unbedingt eine nachhaltige Verpackung – also aus recycelten Materialien. Aber wusstest du, dass 80 % der recycelten Papierfasern aus China kommen? D.h. unsere Papierreste werden nach China verfrachtet und werden dort vor Ort unter ganz schlechten Bedingungen recycelt, bevor sie wieder zu uns zurück nach Deutschland kommen. Ich hatte mich dazu mit einem Verpackungshersteller unterhalten und der sagte mir, dass er mir Material aus Schweden anbieten kann. Ja, dafür werden Wälder abgeholzt, aber für jeden abgeholzten Hektar werden 110% wieder aufgeforstet und die restlichen Bedingungen sind weitaus besser als in China. Also habe ich mich für Schweden entschieden.

Krass, das wusste ich gar nicht mit China… Was ist deine Vision in Bezug auf peaceful delicious?

Ich wünsche mir, dass die Menschen weniger Fleisch essen. Man muss kein Veganer oder Vegetarier werden, aber sich auf den Weg machen Alternativen zu Fleisch auszuprobieren. Es wäre wünschenswert, dass der Fleischesser wieder dahin kommt, höchstens seinen Sonntagsbraten zu genießen und wert zuschätzen und vielleicht noch die ersten zwei Tage der Woche davon zu essen, aber sich die restliche Woche höchstens vegetarisch ernährt, eben auch von Tempeh.

Und wenn es dann so weit ist, dass wir schwarze Zahlen schreiben, dann möchte ich etwas zurückgeben können. Ich möchte gerne an Einrichtungen spenden, die einen Beitrag dazu leisten, die Welt ein wenig besser zu machen, Organisationen wie ProVeg gehören z.B. dazu.

Das ist eine schöne Idee! Ich habe gesehen, dass ihr dieses Jahr auch am veganen Sommerfest am Alexanderplatz von 24.-26.08.18 vertreten seid.

Ja, wir freuen uns dabei zu sein. Wer also unseren Tempeh live verkosten will, kommt am besten bei uns am Stand vorbei.

Was ich besonders cool finde, peaceful delicious wurde vom veganen Sommerfest zum Start-up des Jahres gewählt. Was für ein toller Erfolg – herzlichen Glückwunsch dafür.

Ja vielen Dank – ich kann es auch noch gar nicht glauben und freue mich wirklich sehr darüber!

Frank ich danke dir vielmals für das Gespräch und die leckeren Kostproben – mein Gefrierschrank ist bereits randvoll mit peaceful delicious und ich freue mich damit neue spannende und gesunde Rezepte zu kreieren.

Es gibt den Tempeh als Patty, Sticks, Streifen, oder als Block. Bestellen könnt ihr ihn im Onlineshop von peaceful delicious.

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