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  • AutorenbildKerstin Obermoser

Corona - Krise als Chance

Aktualisiert: 8. Sept. 2022

Hinter mir liegt die erste Woche gefühlter sozialer Normalität. Ich bin immer noch irritiert darüber, wie ich Menschen nun gegenübertreten soll. Fiel es mir am Anfang schwer auf Umarmungen und Händeschütteln zu verzichten, so schnell habe ich dieses Verhalten adaptiert - es ist erschreckenderweise zu einer neuen Normalität geworden. So „schwer“ fällt es mir allerdings auch, jetzt wieder auf „alte Normen“ zurückzugehen. Teils aus Verunsicherung, teils aus Respekt, teils aus neuer Gewohnheit. Plötzlich bin ich mit Fragen konfrontiert, die ich mir vorher nicht gestellt habe: Wie begrüße ich neue und alte Menschen in meinem Leben.


Was mich immer noch sehr irritiert und beschäftigt ist dieses neue Bild von „Menschen mit Masken“. Ich finde es verstörend, dass so ein für unsere Breitengrade unbekanntes Bild, von nun an wohl Teil unserer Kultur werden wird.


In den letzten drei Monaten habe ich also so gut wie keine soziale Verabredung gehabt, außer zum Spazieren gehen, mit mehr oder weniger dem gleichen Menschenkreis aus meiner näheren Umgebung. Das lag auf der einen Seite daran, dass ich alle überflüssigen Wege gemieden und nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren bin, ich mich aber auf der anderen Seite sozial auch recht zurückgezogen habe. Ich habe mich recht streng an den Lockdown gehalten, bin ich doch ein sehr normativer Mensch 😉


Ich habe die erzwungene Entschleunigung und Reduktion auf das Wesentliche sehr begrüßt. Es ist sehr spannend zu beobachten, wie sehr sich Prioritäten verschieben, welche Dinge oder Menschen an Wichtigkeit gewinnen oder eben verlieren. Diese Entschleunigung und Reduktion auf das Wesentliche haben mich wieder ein Stück weit zurechtgerückt und mich wieder mehr zu mir selbst, meinem Inneren, meinen Werten gebracht. Ich habe mich viel mit mir selbst beschäftigt, abgewogen, hinterfragt, genossen und manchmal auch gezweifelt. Aber eines ist mir in dieser Zeit sehr bewusst geworden: Ich bin mir selbst genug. Ich bin glücklich und zufrieden mit mir und meinem Leben. Meine Werte und Einstellungen haben sich noch mehr gefestigt. Ich weiß wer ich bin und was mir wichtig ist. Ich habe erneut bemerkt wie wenig ich brauche, um aus tiefstem Herzen glücklich, zufrieden und erfüllt zu sein und das war unheimlich befreiend.

Ich habe erlebt, wie viele Menschen panisch und verängstigt von dem Gedanken waren, die Zeit mit sich allein verbringen „zu müssen“. Menschen, die nichts mit sich und ihrer freien Zeit anzufangen wussten. Denen das Fehlen von Ablenkung schirre Panik verursachte. Das hat mir einmal mehr vor Augen geführt, wie gerne ich Zeit mit mir selbst verbringe, wie sehr meine Selbstfürsorge und Selbstliebe gefruchtet haben. Nicht eine Minute kam Langeweile in mir auf, ganz im Gegenteil, ich hatte mir noch so viel mehr Zeit für mich gewünscht und hatte zwischendurch schon Angst zur Einsiedlerin zu werden. Wer mich kennt weiß, dass ich ein sehr sozialer und kontaktfreudiger Mensch bin.


Natürlich habe ich mich vorübergehend und kurzzeitig von der Panik anstecken lassen, nachdem ich Corona speziell am Anfang so gar nicht ernst genommen habe. Ich habe mich nach der Anfangsphase komplett nur mehr auf mich selbst konzentriert, keine Medien mehr konsumiert und mich von all dieser Negativität, der Angst und der Panik zurückgezogen. Jeder Mensch geht anders mit „Krisen“ um – das war meine Art. Ich habe mich auf mich selbst fokussiert und die Zeit für die Innenschau und neue Routinen genutzt. Ich habe mir ausreichend Zeit für mich selbst genommen, regelmäßig und viel Sport gemacht, jeden Weg zu Fuß oder mit dem Fahrrad gemacht, auf Alkohol, Zucker, Süßes, Weißmehl, verarbeitete Lebensmittel etc. verzichtet. Es hat mir unheimlich gut getan und ich merke auch im positiven Sinne, wie schnell sich neues Verhalten dauerhaft und nachhaltig etabliert. Klar, die Prüfung kommt natürlich erst jetzt, wenn das soziale Leben wieder losgeht, das Leben an Geschwindigkeit aufnimmt und meine kleine Coronablase zerplatzt. Dann erst werde ich sehen, ob ich dieses neue Verhalten auch in meinen „alten“ Alltag integrieren kann. Es wird bestimmt nicht alles 100%ig so bleiben wie zu „Lockdown-Zeiten“, aber ich glaube mein Dschungelpfad ist soweit zur Autobahn geworden, dass gewisse Routinen so automatisch wie das Zähneputzen in Fleisch und Blut übergegangen sind. Ich bin meinen Zielen ein Stück weit nähergekommen und freue mich auf alles was kommt. So schlimm Krisen sein können, so sehr bestimmt unser Fokus, was wir daraus machen.


Das Leben nimmt also langsam wieder an Fahrt auf und ich weiß nicht, wie ich das finde. Klar ist es schön, wieder unbeschwerter rausgehen zu können, gewisse Menschen zu umarmen, meine Coachees wieder live und in Farbe gegenübersitzen zu haben, oder mal wieder etwas anderes unternehmen zu können, außer spazieren zu gehen. Mal wieder mehr rauszukommen, soziale Events oder Verabredungen zu haben, andere Gesichter zu sehen und neben Sport- und Homeklamotten sich mal wieder etwas schicker zu machen. Und natürlich denke ich an all diejenigen, deren Existenz von Corona bedroht ist und die sich darauf freuen, dass es endlich wieder losgeht. Aber wenn ich das mal außen vorlasse und mich einmal nur auf die positive Seite von Corona besinne – in jeder Krise steckt eine Chance, und Negatives hatten wir in letzter Zeit genug – dann weiß ich noch nicht, ob ich bereit bin für ein „Ende“, dass es vielleicht so ganz ohnehin nicht geben wird.

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